Gerechtigkeitskonferenz der Arbeitsgemeinschaften ASF, AfA, SPD 60 plus und Jusos am 28.01.2017 in Berlin
Die Grundwerte der SPD „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ sind auch im 21. Jahrhundert so aktuell wie eh und je. Denn: die Ungerechtigkeiten und die Ungleichheiten nehmen wieder zu – in Deutschland, in Europa und Weltweit.
Krisen und Kriege, Verfolgung und Migration, Hunger und Elend sowie Abbau von Demokratie und Freiheit sind die Folgen. Der Unterschied zwischen Arm und Reich wird größer anstatt kleiner. Mühsam erkämpfte Rechte, insbesondere Frauenrechte und die Achtung von Minderheiten sind in Gefahr. Immer mehr Menschen sind verunsichert und resigniert. Sie glauben, dass der Staat und die Demokratie ihre Erwartungen nicht mehr erfüllen können.
Das gibt Populisten, Nationalisten, Rassisten und religiösen Fanatikern Raum für vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Probleme. Die Respektlosigkeit gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen, die Geschichtsvergessenheit, die zunehmende Entsolidarisierung und rücksichtsloser Nationalismus sind Sprengstoff für unsere Demokratie. Wir erleben gerade in der Türkei, in den USA aber auch in Polen und Ungarn, dass dumpfer Populismus zum Verlust von grundlegenden Rechten, zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft und am Ende zu mehr Unfreiheit und Ungleichheit führt.
Deshalb wollen wir die Ursachen für Ungerechtigkeit und Ungleichheit wirksam bekämpfen, die soziale Teilhabe aller verwirklichen und unsere freiheitliche und vielfältige Demokratie verteidigen.
In der zu Ende gehenden Legislaturperiode hat die SPD in der Regierungsverantwortung wichtige Erfolge erzielt: die Stärkung der Kommunen, die Einführung des Mindestlohns, die BaFöG-Reform, Verbesserungen bei Rente und Pflege, bessere Rahmenbedingungen für die Gleichstellung von Frauen und Männern um nur einiges zu nennen. Das wollen wir intensivieren und beschleunigen.
Mit diesem Gerechtigkeitsmanifest wollen wir - ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit - zentrale, unverzichtbare Maßnahmen benennen, mit denen eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung den gefährlichen Tendenzen wirksam begegnen und eine neue soziale und ökonomische Dynamik entfalten kann.
Ausbildung und Weiterbildung
Bildungsgerechtigkeit ist die Grundlage für beruflichen Erfolg, eine eigenständige Existenzsicherung und für eine gute Altersversorgung. Bildung darf aber nicht vom Geldbeutel der Eltern oder von der sozialen Herkunft abhängig sein. Eine gerechte Gesellschaft wird durch ein frühes und langes gemeinsames Lernen von Kindern aller sozialer Gruppen gefördert. Somit dient Bildung der Integration und der Inklusion und befähigt zu einer größtmöglichen gesellschaftlichen Teilhabe im späteren Lebensverlauf.
Obwohl Mädchen und junge Frauen die besseren Schulabschlüsse haben und mittlerweile die Mehrzahl der Studienanfängerinnen/Studierenden stellen, sind die Berufschancen nach der Ausbildung immer noch ungerecht verteilt. Dies liegt nicht nur an dem immer noch sehr traditionellen Berufs- und Studienfachwahlverhalten von Frauen und Männern – so sind Frauen in MINT-Berufen hoffnungslos unterrepräsentiert -, sondern auch an der Bewertung der sozialen Berufe, sowie der Bewertung der von Frauen dominierten Berufe.
Dies ist teilweise schon bei der Ausbildung angelegt. In der dualen Ausbildung sind die Berufsschulen kostenfrei und die Auszubildenden erhalten eine Ausbildungsvergütung. In den überwiegend von Frauen gewählten verschulten Ausbildungsgängen wie z.B. den Gesundheits-, Erziehungs- oder Pflegeberufen wird teilweise Schulgeld erhoben und nicht überall eine Ausbildungsvergütung bezahlt. Die Lohndiskriminierung beginnt hier schon in der Ausbildung.
Gerade die Digitalisierung der Arbeitswelt erfordert eine ganzheitliche Weiterbildungsinitiative. Im weiteren Verlauf eines Berufslebens muss deshalb der gleiche Zugang zu Aus- und Weiterbildung garantiert werden – insbesondere für ältere Beschäftigte, Teilzeitbeschäftigte und Beschäftigte mit Familienpflichten. Auch Aus- und Weiterbildung muss mit Beruf und Familie aber auch für Beschäftigte in Leiharbeit vereinbart werden können.
Wir wollen eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Bildungschancen und Zugang zu Aus- und Weiterbildung.
Wir wollen Frauen und Männer darin unterstützen, das traditionelle Berufs- und Studienfachwahlverhalten zu überwinden.
Wir wollen eine kostenlose (schulgeldfreie) Ausbildung für alle und gleichen Zugang für Frauen und Männer zu betrieblichen und überbetrieblichen Weiterbildung, für Teilzeitbeschäftigte und Eltern ebenso wie für Vollzeitbeschäftigte oder Ältere.
Deshalb fordern wir:
- Fahrkostenübernahme, Qualitätssicherung und Übernahmeregelung
- der Einführung einheitlicher Rahmenbedingungen für das Duale Studium
- dem Ausbau in ein Weiterbildungssystem mit Qualitätssicherung und Zertifizierung, Freistellungs- und Rechtsansprüchen und Finanzierungsmechanismen. Das reformierte und ausgebaute BBiG muss auch die Rechte von Aus- und Weiterbildungsangeboten für alle Beschäftigten sichern. Insbesondere für Ältere, Teilzeitbeschäftige oder Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen während Erziehungs- und Pflegezeiten. Dazu gehört im Bedarfsfall auch ein Kinderbetreuungsangebot.
- der Ausweitung der modularen Weiter- und Fortbildung, die unternehmensunabhängig genutzt werden kann. Dabei wollen wir einheitliche Qualitätsstandards, die das heterogene Umfeld der
- der Weiterbildungssysteme transparenter und qualitätsbezogener macht.
- Bundeseinheitliche Regelungen der Weiterbildung
Gute Arbeit – Gutes Leben
Existenzsichernde Erwerbsarbeit ist die Voraussetzung für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe und ein gutes Leben. Doch das Normalarbeitsverhältnis – Vollzeit, sozialversicherungspflichtig, tariflich abgesichert, unbefristet und Existenz sichernd - wird mehr und mehr durch prekäre Beschäftigung – Teilzeit, geringfügige und/oder befristete Beschäftigung, Leiharbeit sowie ohne Tarifbindung zurückgedrängt.
Gleichzeitig möchten immer mehr Menschen Beruf und Familie partnerschaftlich vereinbaren. Aber nur die wenigsten können dieses Partnerschaftsmodell leben. Während Männer in der Regel ihre Arbeitszeit für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerne reduzieren möchten, stecken Frauen meist unfreiwillig in der Teilzeitfalle fest. Über die Hälfte der erwerbstätigen Frauen - zum ganz großen Teil Mütter - arbeiten häufig unfreiwillig Teilzeit. Damit ist in vielen Fällen weder die eigene Existenzsicherung noch die der Kinder möglich. Teilzeitbeschäftigte arbeiten häufig unter ihrer Qualifikation, werden schlechter bezahlt als Vollzeitkräfte, haben kaum Möglichkeiten zur betrieblichen oder überbetrieblichen Weiterbildung und werden beim beruflichen Aufstieg wegen ihrer Arbeitszeit kaum berücksichtigt. Dies führt am Ende eines Erwerbslebens in der Regel zu nicht existenzsichernden Rentenansprüchen. Wegen der immer noch einseitig den Frauen zugeschriebenen Verantwortung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben auch in Vollzeit erwerbstätige Frauen trotz bester Qualifikation kaum Chancen eine Führungsposition auszuüben. Darüber hinaus werden überwiegend von Frauen ausgeübte Tätigkeiten in der Regel schlechter bewertet und bezahlt als die von Männern ausgeübten Tätigkeiten. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt derzeit 21 %, die Rentenlücke sogar über 50%. Aber nicht nur die Erwerbsarbeitszeiten sind ungleich verteilt sondern auch die unbezahlte Sorgearbeit im Haushalt, bei der Kindererziehung oder der Unterstützung pflegebedürftiger Angehöriger.
Aber auch die Arbeitsbedingungen haben sich verändert und sind noch immer nicht alterns- und altersgerecht ausgestaltet. Im Gegenteil! Die Arbeitsverdichtung hat zugenommen – sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor. Ebenso wie die Erwartung der Allzeitverfügbarkeit für den Betrieb. Auch die Digitalisierung trägt zur Entgrenzung von Arbeit und Leben bei. Dadurch wird die Balance zwischen Arbeit und Leben immer schwieriger und immer mehr Beschäftigte fühlen sich überfordert.
Für Langzeitarbeitslose stehen auf dem Arbeitsmarkt zu wenig Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Aber auch sie haben das Anrecht darauf, mit Arbeit ihre eigene Existenz zu sichern. Es ist sinnvoller Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Der demographische Wandel stellt uns vor große Herausforderungen: Die Ungleichheit der älteren Generation wächst. Landflucht, hohe Mieten in den Ballungsräumen, Unterversorgung auf dem Land, Ungleichheit der Lebensverhältnisse in finanzstarken und –schwachen Kommunen, die Zwei-Klassen-Medizin und mangelnde medizinische Versorgung in der Fläche führen zu sozialer Ausgrenzung und verhindern gesellschaftliche Teilhabe für alle.
Wir wollen wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt herstellen und den Beschäftigten wieder Sicherheit geben.
Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen und damit mehr Menschen eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.
Gute Arbeit und an die Bedürfnisse der Beschäftigten ausgerichtete Arbeitszeiten sind Voraussetzung für ein gutes Leben und gleiche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Wir wollen Langzeitarbeitslosen eine Perspektive geben.
Zu einem guten Leben und gesellschaftlicher Teilhabe für alle gehören auch bezahlbares Wohnen und eine gute medizinische und pflegerische Versorgung sowie gleichen Lebensbedingungen für alle.
Wir wollen die fortschreitende Digitalisierung zum Vorteil aller Beschäftigten mitgestalten, damit sie nicht zu schlechteren Arbeitsbedingungen führt.
Deshalb fordern wir:
Arbeitssuche/Gute Arbeit
Vereinbarkeit
Entgeltgleichheit
Mitbestimmung/Tarifrecht
Langzeitarbeitslosigkeit/Benachteiligte
Digitalisierung
Rente und Altersvorsorge
Die umlagefinanzierte und beitragsbezogene gesetzliche Rentenversicherung hat sich bewährt. Allerdings müssen die negativen Auswirkungen der vergangenen Rentenreformen auf das Rentenniveau, die Altersvorsorge langjährig Versicherter mit niedrigen eigenen Rentenanwartschaften, das Altersarmutsrisiko Erwerbsgeminderter sowie von Frauen überprüft und korrigiert werden. Darüber hinaus muss die gesetzliche Rentenversicherung auf die sich verändernden Erwerbsverläufe mit Brüchen in den Erwerbsbiographien und wiederholten Bildungsanstrengungen angepasst werden.
Eine weitere steuerliche Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge wie „Riester“-Rente lehnen wir ab. Diese Form der Altersvorsorge kann höchstens eine zusätzliche Vorsorge zur ausreichenden gesetzlichen Rente sein.
Eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters lehnen wir ab.
Wir wollen die gesetzliche Rentenversicherung stärken und zukunftsfest machen. Wir wollen, dass langjährig Versicherte sowie Versicherte, die wegen Kindererziehung oder der Pflege naher Angehöriger ihre Erwerbstätigkeit zeitweise reduziert haben, im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung und dadurch keine Nachteile haben.
Deshalb fordern wir: